Krafttraining und Triathlon – Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Der steinige Weg des Krafttrainings im Triathlon

Ursprünglich ging die Sportwissenschaft davon aus, dass alleine die Muskelmasse maßgeblich für die Muskelkraft ist. Somit konnte auch kein zielführender Zusammenhang zwischen Kraft und Ausdauerfähigkeit hergestellt werden, denn niemand möchte mit überladener Muskelmasse Laufen, geschweige denn am Rad sitzen. Demnach wurde das Krafttraining gänzlich aus den Trainingsplänen der Athleten gestrichen. Die Forschung dazu ging glücklicherweise weiter und brachte ein Umdenken. In den 80er Jahren erkannte man, dass neben der Muskelmasse auch das neuromuskuläre System für die Muskelkraft ein entscheidender Faktor ist. Bestehend aus dem Zusammenspiel von Nerven und Muskeln ist das neuromuskuläre System unter anderem dafür zuständig, möglichst viele Muskelfasern in der richtigen Sequenz und im richtigen Moment kontrahieren zu lassen. Diese Eigenschaften können mit spezifischem Krafttraining wesentlich verbessert werden.

Weitere Erkenntnisse zeigen eindrucksvoll, dass durch gezieltes Krafttraining zwei maßgebliche Prädiktoren der Ausdauerleistungsfähigkeit, die anaerobe Schwelle und die Ökonomie, wesentlich verbessert werden können. Die Gründe dafür liegen wiederum im neuromuskulären System. Denn umso öfters bestimmte Nerven genutzt werden Muskeln kraftvoll kontrahieren zu lassen, desto schneller und ökonomischer werden sie. Dieses Prinzip ist mit einem Trampelpfad vergleichbar. Zu Beginn sucht jeder seinen eigenen Weg zu einem bestimmten Ort. Umso öfter dieser Ort jedoch aufgesucht wird, desto eher bildet sich der ideale Weg daraus und der Pfad wird breit und ausgetreten, was wiederum dazu führt, dass er schneller und effizienter wird. Klar wird dadurch auch, dass die Übungen möglichst triathlonspezifischen Bewegungsmustern entsprechen sollten, da auch genau die Nerven Signale an die Muskeln senden, welche für die Übung notwendig sind. Unklar ist noch, weshalb das neuromuskuläre System und folglich auch die Prädiktoren, nicht alleine mit spezifischem Ausdauertraining erweitert werden sollen, schließlich geht es auch im Wettkampf genau darum und nicht wiederholt Gewichte zu stemmen. Nun der Grund dafür ist die trainierbare Obergrenze des neuromuskulären Systems mithilfe von Ausdauertraining. Die Wissenschaft bestätigt einhellig, dass Krafttraining das neuromuskuläre System und somit den Leistungsfaktor Kraft auf eine Weise verbessern kann, wie es Ausdauertraining nicht vermag.

Zusammengefasst bedeutet das: Wird durch gezieltes Krafttraining das neuromuskuläre System verbessert, wirkt sich das positiv auf den Leistungsfaktor Kraft aus. Das Zusammenspiel der Nerven und Muskeln funktioniert schneller und effizienter und hat somit insbesondere eine förderliche Wirkung auf die Ökonomie und das Tempo (anaerobe Schwelle). Physikalisch betrachtet ist die Leistung, welche schlussendlich beim Wettkampf von größter Bedeutung ist, das Produkt aus Geschwindigkeit und Kraft. Wird also die Kraft erhöht, ergibt sich eine gesteigerte (Wettkampf)Leistung und daher sollte Krafttraining ein fixer Bestandteil des Trainings sein. 

Welche Trainingsformen führen zum Ziel?

Für die gezielten Anpassungen des neuromuskulären Systems sind vor allem das Reaktivkrafttraining und das Maximalkrafttraining bedeutend. Das soll jedoch in keinem Fall zur Folge haben, dass andere Trainingsformen wie beispielswiese das Kraftausdauertraining oder ein spezifisches Core- Training nun völlig gestrichen werden sollten- auch diese Trainingsformen haben ihren Nutzen, jedoch in anderer Weise. 

Das Reaktivkrafttraining

Das Reaktivkrafttraining ist besser bekannt unter dem Namen „Plyometrisches Training“ und beinhaltete explosive Sprung- und Hüpfübungen. Diese Trainingsform ist vor allem für die dritte Disziplin – das Laufen –  ein wirksames Mittel. Die schnellen und kraftvollen Kontraktionen, erhöhen die Kraftbildungsgeschwindigkeit des Muskels (Optimierung des Dehnungs- Verkürzungs- Zyklus) und verbessern daher die Leistung und die Schnelligkeit. Es könnte zwar eine Menge der kostbaren Trainingszeit dafür verwendet werden plyometrische Trainingseinheiten durchzuführen, aber das ist nicht zwingend notwendig. Denn erstens, sind die Erträge die durch diese Art des Trainings ausfallen verhältnismäßig klein und zweitens, sind diese Übungen sehr gut mit Laufeinheiten kombinierbar. So kann beispielsweise das Aufwärmprogramm einer Laufeinheit dazu genutzt werden, plyometrische Übungen durchzuführen. Ein bis zwei solcher (Teil)Einheiten pro Woche, führen zu einer vollständigen Anpassung und gleichzeitig zu einem geringen Verletzungsrisiko. Wichtig dabei ist ein erholter Zustand vor solch einer Einheit, denn Erschöpfung erhöht das Verletzungsrisiko maßgeblich und der Körper kann weniger Kraft erzeugen- also genau das Gegenteil des gewünschten Effektes.

Das Maximalkrafttraining

Diese Trainingsform führt zu signifikanten neuromuskulären Anpassungen, gleichzeitig wird im Verhältnis zu einem klassischen Hypertrophie- Training wenig Muskelmasse erzeugt. Maximalkrafttraining zeichnet sich durch hohe Lasten (ca. 85-95% des 1RM)  bei gleichzeitig wenig Wiederholungen (ca. 3- 6) aus. Die Pausenzeiten zwischen den Sätzen (3-5) betragen zwischen 3 und 4 Minuten. Im Hinblick auf die Verletzungsprophylaxe muss der Körper sorgfältig für solch hohe Lasten vorbereitetet werden, daher wird ein Gewöhnungstraining empfohlen. In dieser Phase sollen die richtigen Übungsausführungen erlernt und sukzessive die Intensität (von 40% bis 80% des 1 RM) erhöht bzw. die Wiederholungszahl (von 20 auf 8) verringert werden, um so den Körper optimal vorzubereiten. Es gilt unbedingt zu beachten, dass die richtige Übungsausführung voraussetzung für hohe Intensitäten ist, andernfalls können schwerwiegende Verletzungen auftreten. Um also den größtmögliche Nutzen aus dem Krafttraining zu ziehen sollte dieses periodisiert durchgeführt werden. Die folgende Tabelle liefert hierzu den Leitfaden:

Trainingsphase Einheiten Gesamt Einheiten pro Woche Übungen pro Einheit Sätze pro Einheit Wiederh. pro Satz Pausen (min.) Intensität (% 1RM)
Gewöhnungstraining
4 - 10
2 - 3
5 - 6*
2 - 5
8 - 20
1,5 - 3
40 - 80
Maximalkrafttraining
10 - 12
2 - 3
5 - 6*
3 - 5
3 - 6
3 - 4
85 - 95

2 – 3 Maximalkraftübungen und 2-3 Ausgleichübungen (z.B. Rumpfkräftigung, Zugseilübungen, etc.)

Die Trainingseinheiten sollten möglichst gleichmäßig verteilt über die ganze Woche durchgeführt werden. Es macht daher keinen Sinn, an aufeinander folgenden Tagen zwei schwere Maximalkrafteinheiten einzuplanen. Ebenfalls bedacht werden sollte, dass das Maximalkrafttraining eine sehr hohe Belastung für den Körper mit sich bringt- um daher nicht in einen chronischen Erschöpfungszustand zu geraten, muss ausreichend Zeit für die Regeneration eingeplant werden. Daher sollte auf eine Krafteinheit im besten Fall eine regenerative Einheit folgen, jedoch auf keinen Fall eine ausdauerspezifische Entwicklungseinheit. Nun wird klar, dass das Ausdauertraining in dieser Entwicklungsphase etwas verringert werden muss, da sonst nicht genügend Regeneration gewährleistet werden kann. Beides im vollen Umfang durchziehen zu wollen in der Hoffnung auf noch bessere Leistungsfähigkeit, ist auf jeden Fall der falsche Weg, denn dafür müssten die Regenerationszeiten stark reduziert werden und der Körper würde wichtige Zeit verlieren, um die gesetzten Trainingsreize zu verarbeiten. Die Wissenschaft empfiehlt daher, das Ausdauertraining in der Phase der Maximalkraftentwicklung um 20-30% zu verringern.

Nach dem intensiven Aufbaublock, der vor allem in der ersten Grundlagenphase durchgeführt werde kann, gilt es diese neue Kraft und daher die neuromuskulären Anpassungen über die Saison hinweg zu erhalten. Dazu genügt es bereits einen gezielten Trainingsreiz jede zweite Woche zu setzen. Dieser ist unumgänglich, denn bleibt er aus bildet sich die neu gewonnene Kraft wieder zurück und der ganze Aufwand war umsonst. Da „nur“ die Erhaltung angestrebt wird, ist der Trainingsreiz niedriger als noch im Aufbaublock und daher auch die Erschöpfung niedriger, sodass das Krafterhaltungstraining das spezifische Ausdauertraining nicht wesentlich stört. Die Vorgaben für diese Phase sehen wie folgt aus:

Trainingsphase Einheiten Gesamt Einheiten pro Monat Übungen pro Einheit Sätze pro Einheit Wiederh. pro Satz Pausen (min.) Intensität (% 1RM)
Krafterhaltungstraining
-
2 - 4
4 - 5*
2 - 3
3 - 6
3 - 4
80 - 90

* 2 Maximalkraftübungen und 2-3 Ausgleichübungen (z.B. Rumpfkräftigung, Zugseilübungen, etc.)

Ein Ausnahme des Krafterhaltungstrainings stellt die Taperingphase dar- hier sollte kein Krafttraining mehr durchgeführt werden. Der Fokus gilt in dieser Phase den wettkampfspezifischen Faktoren und der Erholung, um in bestmöglicher Form an der Startlinie zu stehen.

Die Übungsauswahl

Nun sind bereits alle notwendigen Details geklärt jetzt gilt es nur mehr die richtige Übungen dafür zu finden. Da vor allem der Rad- aber auch der Laufsplit von dieser Form des Trainings profitieren, gilt es Übungen zu wählen, die primär der Beinachsenstreckung aus Hüfte, Knie und Sprunggelenk dienen. Pro Trainingseinheit sollten nicht mehr als 3 dieser Maximalkraftübungen durchgeführt werden. Grund dafür ist vorrangig die Zeit und damit verbunden auch das Risiko- da Triathleten ohnehin bereits wenig Zeit zur Verfügung haben gilt es sich auf die Übungen zu konzentrieren die den größten Effekt erzielen und mit fortgeschrittener Trainingsdauer (>60 min) steigt das Verletzungsrisiko stark an. Es empfiehlt sich ebenfalls die Übungen mit den schwersten Lasten zu Beginn der Einheit durchzuführen, da hier die Erschöpfung am geringsten ist. Zwischen Übungen derselben Bewegung bzw. der gleichen Muskelgruppen sollte eine „Ausgleichsübung“ (z.B. Rumpfkräftigung oder Zugseilübungen) eingebaut werden, auch das verringert das Verletzungsrisiko. Somit werden pro Trainingseinheit 5 bis 6 Übungen durchgeführt, wobei bis zu 3 der Maximalkraft dienen. Die folgende Liste gibt einen Überblick über spezifische Übungen zur Entwicklung der Maximalkraft:

Zu guter Letzt sei noch auf die Wichtigkeit der Variation hingewiesen. Auch wenn bei den angeführten Übungen überwiegend dieselben Muskelgruppen angesprochen werden, ist es dennoch sinnvoll die Übungen bzw. die Übungsausführungen in regelmäßigen Abständen zu ändern. Dadurch kann sowohl psychische als auch physische Einseitigkeit des Trainings vermieden werden.

Quellen